Wein und Gaming 2.0 – Andreas Durst entwickelt einen neuen Mod für ein bekanntes RPG

Die Sptbrgndr-Redaktion hat Nachricht von einem Projekt erhalten, das seinesgleichen sucht. Zunächst hielt die Redaktion es für einen gepflegten Scherz, wäre die Botschaft nicht von einem Mann signiert, den man in der Welt des Weines nur mit Ehrfurcht ausspricht: Andreas Durst.

Um diesen Mann ragen sich viele Legenden und Mythen. Manche halten ihn für ein Genie, andere für verrückt, wieder andere für einen Propheten. Sein Plan ist kühn: Er will dem deutschen Wein zu neuem Glanz verhelfen. Da Durst, wie auch viele andere wissen, dass die Deutschen in punkto Wein recht schwerfällig von Begriff, um nicht zu sagen, rückständig sind, besann er sich auf eine ganz spezielle Marketingstrategie: deutschen Wein in Computerspiele integrieren, um so die Generation Y oder Millennials für die Bedeutung des Traubensafts zu sensibilisieren. Zu diesem Zweck hat er in Bockenheim an der Weinstrasse das „Digital Institute for German Wine, Cyber Intelligence and Gaming“ ins Leben gerufen. – Wir sind weltweit die ersten Journalisten, die Durst im DIGWCIG zu seinem neuesten Projekt interviewen dürfen.

Im DIGWCIG angekommen, begrüßt Durst uns. Er ist groß gewachsen, trägt einen weißen Kittel, in dessen Taschen sich Weinflaschen befinden, die wir aber nicht genauer erkennen können. Das Haar ist akkurat zum Scheitel gekämmt. Unter dem Arm trägt er ein Tablet, mit dem ab und an einige Skripte programmiert. Durst beginnt, uns sein Projekt zu erläutern:

In Deutschland fehle ein gewisses Grundverständnis für Wein und Qualität. Das liege vor allem daran, dass der Wein noch keinen richtigen Eingang in die unmittelbare Lebensumwelt der Menschen gefunden habe. Guter Wein sei in den Medien, vor allem in den öffentlich-rechtlichen Medien maximal unterrepräsentiert und wenn dann zumeist negativ konnotiert. Man müsse den Menschen begreiflich machen, dass Wein ein Hochwertprodukt sei, das die Lebensqualität bei angemessenem Konsum steigern und das kulinarische Bewusstsein komplementieren würde. Das hätten auch die Global Player des Deutschen Weins bisher nicht richtig auf dem Schirm gehabt.

Im DIGWCIG habe Durst nun ein erstes vielversprechendes Projekt entwickelt, das sich zum jetzigen Zeitpunkt allerdings noch in der Beta-Phase befinde. Es handelt sich um einen speziellen Mod für ein beliebtes Action-Rollenspiel, denn RPGs und Wein würden sich in vielen Punkten gleichen. Durst habe die bestehenden Charakterklassen (Barbar, Amazone, Paladin, Totenbeschwörer, Zauberin), um den Winzer erweitert. – Der Winzer folge einer völlig neuen Spielmechanik, die darauf abzielt, den Monstern und Dämonen mit edlen Weinen zu schmeicheln. Die Schurken aus der Hölle würden dann glücklich und von allein zurück in die Unterwelt gehen. Dafür nutze der Winzer neue Item-Klassen, wie die Winzer-Schere, das Weinglas oder aber den Korkenzieher. Als mächtige Supporter könne man Herbster und Sommeliers heraufbeschwören, die dabei helfen, den edlen Stoff unter die Dämonenbrut zu bringen. Anstelle der klassischen Heil- und Manatränke könne der Winzer auf ein ganzes Arsenal an speziellen Weinen zurückgreifen, die ihm unterschiedlichste Buffs verleihen. Für den normalen Schwierigkeitsgrad würden noch aktuelle Jahrgänge genügen, für Bossgener, Alptraum und Hölle müsse man allerdings auf gereifte Jahrgänge und spezielle Lagen zurückgreifen. Priorität habe es, den Geschmack der Monster zu treffen, der ja zwangsläufig unterschiedlich ausfällt. Manche Gegner hätten eine Schwäche für gereiften Mosel-Riesling, anderen wäre mit Chardonnay beizukommen, wiederum andere hätten eine besondere Affinität für spezielle Rheingau-Lagen. – Wir sind begeistert, Durst berichtet weiter:

Der Mod würde den Gamern unterschwellig und ganz spielerisch ein völlig neues Bewusstsein, Verständnis und Wissen für Wein vermitteln. Die Millennials könnten über den Mod ein Gespür für Weinbegleitungen und -kultur generieren, gleichzeitig würde sich ein gewisses Gefühl für hochwertige und rare Weine entwickeln, die wiederum aus Zutaten, die im Weinberg, einer völlig neuen Map, gefarmt und anschließend im Keller (Akt 1, Fass hinter der Truhe) gecraftet werden müssten. Das Ganze Prozedere verlange dem Spieler viel Zeit und Mühe ab. Letztlich stehe aber die Erkenntnis, dass sich der Endgame-Content schwerlich mit Crap-Wein bestreiten lasse – man würde keine Sekunde überleben, versichert Durst.

Funktionskleidung für den optimalen Weingenuss – Wageck-Pfaffmann Chardonnay Geisberg

Wir haben fässerweise deutschen Chardonnay getrunken und können mit Sicherheit behaupten, dass Sülzner Weg und Geisberg von Thomas Pfaffmann zu den herausragendsten Tröpfchen gehören, die das Land zu bieten hat. Dumm ist nur, dass man dumm ist, wenn man sie zu früh trinkt. Hier kann aber das Speedreife-Verfahren Abhilfe schaffen. Selbiges hat die Redaktion bereits auf diesem Blog in einem eigenen Beitrag vorgestellt. 


Gern wollen wir aber mehr Menschen für dieses Verfahren und Thomas’ großartige Chardonnays gewinnen. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschlossen, Funktionskleidung zu entwickeln, die das Verfahren der Speedreifung und damit einen angemessenen Genuss von hochwertigen Chardonnays im Allgemeinen und Thomas’ Weinen im Speziellen, auch für Ungeduldige oder eben Menschen mit kleinen Kellern oder schlechten Lageroptionen möglich macht.


Nach längeren Entwicklungsphasen und ausgiebigen Tests steht nun ein spezielles Funktions-Shirt bereit, dass angemessen in die die Vorbereitung zum Trinken des Geisberg-Chardonnay einführt. Das Shirt ist selbstredend noch ein Prototyp und muss ausgiebig getestet werden. Das hält die Redaktion jedoch nicht davon ab, es der Community zu präsentieren. Für Ergänzungen und Verbesserungsvorschläge sind wir selbstredend dankbar. 

Abb. Funktionsanleitung Speedreifung hochwertiger Weine


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We drank German Chardonnay by the barrel and can safely say that Sülzner Weg and Geisberg by Thomas Pfaffmann are among the most outstanding droplets the country has to offer. The only stupid thing is that you are stupid if you drink it too early. Here, however, the speed maturity procedure can help. The editorial team has already presented the same in a separate article on this blog.


We would like to win more people for this process and Thomas’’s great Chardonnays. For this reason, we have decided to develop functional clothing that enables the process of speed ripening and thus the appropriate enjoyment of high-quality Chardonnays in general and Thomas’s wines in particular, also for the impatient or just people with small cellars or poor storage options.


After longer development phases and extensive tests, a special functional shirt is now available that appropriately introduces the preparation for drinking the Geisberg-Chardonnay. The shirt is of course still a prototype and has to be tested extensively. However, this does not prevent the editorial team from presenting it to the community. We are of course grateful for additions and suggestions for improvement.

3 Jahre / 30 Tage. Mit Speedreifung in den Chardonnay-Olymp. Wageck Chardonnay Sülzner Weg 2016

Dass Wein traditionell keine Gebrauchsanweisung beiliegt, empfindet die Redaktion als problematisch, ein echtes Desiderat. Wenn man nicht weiß, wie und wann man Wein richtig trinkt, führt das eben oft zu Irritationen und oberflächlichen Urteilen. So geht es uns auch oft, denn wir haben mehr Durst als Geduld. Kommt Wein, von dem man weiß, dass er geil sein soll, will man ihn auch trinken. Anders war es nicht mit den Chardonnays vom Weingut Wageck.

Kellermeister Thomas hatte uns gewarnt, die Chardonnays müssten eigentlich noch Jahre liegen. Den aktuellen Jahrgang jetzt zu öffnen, wäre kindisch und albern – ein Sakrileg. Aber die Mahnung war wie frischer Sauerstoff, der uns in dem Drang befeuerte, die Flaschen zeitnah zu öffnen. Wir hielten uns für große Kenner und glaubten, ähnlich wie die großen Wein-Juroren, über ein solch tiefgreifendes sensorisches Verständnis zu verfügen, dass wir schon jetzt das Potenzial ganzer Dekaden antizipieren und zukünftige Reifestadien prognostizieren könnten.

»Hochmut kommt vor dem Fall«. Wir öffneten den Chardonnay Sülzner Weg 2016. Zunächst befüllten wir die Gläser mit dem Sülzner Weg und siehe da, der Wein präsentierte sich im Glas ganz ordentlich, in seiner Jugendlichkeit erkannten wir uns wieder: burgundisch, komprimiert, komplex und geil. Wir beschlossen, dem Wein ein wenig Luft zu gönnen, doch der Sauerstoff arbeitete gegen uns. Anstatt ihn zu öffnen, verschloss er den Wein. Nach gut 5 Minuten war er komplett zu – man hätte meinen können, dass er noch in der Flasche, nicht im Glas war. Frust machte sich breit. Wir beschlossen, Thomas zu kontaktieren. Der hatte Verständnis für unsere Ungeduld, schimpfte kurz und war dann ganz gütig gegen uns. Er gab die Anweisung, den Korken aufzustöpseln und die Flasche für 30 Tage zurück in Kühlschrank zu stellen. Die Reue hatte uns gepackt und wir folgten seiner Anweisung, auch wenn sie uns absurd vorkam. Nach gut 30 Tagen und 30 Nächten war es so weit, wir entkorkten die Flasche ein zweites Mal. Die Verzückung war groß! Was da ins Glas floss war einer der besten Burgunder, den wir bis dato getrunken hatten. Hoch komplex und durchstrukturiert, angenehm speckig, leicht floral und würzig. Im Mund klang er noch gefühlte Minuten nach und veränderte sich stetig. Die Speedreifung im Kühlschrank hatte uns einen Vorgeschmack darauf gegeben, wie der Wein wohl in 3 Jahren schmecken würde. Wir waren dankbar und beschämt zugleich.

Liebeserklärung mit Ode an den Spätburgunder Réserve 2012 von Knipser

Unser Blog existiert jetzt ziemlich genau zwei Jahre. Dieses Jubiläum muss irgendwie gefeiert werden. Das Thema gibt sich quasi selbst vor. Unser erster inhaltlicher Beitrag galt Knipsers Blauem Spätburgunder. Wir haben diesen Wein schon vor zwei Jahren gefeiert und wir feiern ihn auch jetzt noch. Aus unserem Herzen ist er nicht wegzudenken. Knipser ist für uns eines der coolsten Weingüter, gerade weil sie nicht versuchen, cool oder modisch zu sein oder sich mit trendigen Hashtags durch die Medienwelt des Weins fresen. Wahrer Style braucht keine Werbung, er wird ohnehin nachgeahmt. Nachahmungswürdig ist ohne Zweifel der Spätburgunder Réserve 2012. Ein deutsches Spätburgunder-Monument, das zeigt, wo es hingehen kann und wo man zuhause sein will. Grund genug für eine Weltpremiere. Wir haben keine Kosten gescheut und den unbekannten Poeten mit der Dichtung einer Ode auf diesen Wein beauftragt. Das Ergebnis würden selbst Pindar und Horaz abfeiern.

Knipser – Réserve

O Knospen, breitet
Weit eure Flügel
Aus, weitet
Euch weiter als
Die Pfalz,
Beflügelt von dem Gütesiegel
Auf eurer Frucht,
In alle Länder aus!
Die Blüten der Holunder
Verblassen
Vor Knipsers Spätburgunder
Aus reicher Rebenzucht;
Im Haus
Der Knipser keltern
Sie Trauben und naturbelassen
(Wie Eltern 
Die Kinder, wenn sie reifen)
Weit lassen sie sie durch die Erde schweifen!
Blau blühen Trauben 
Und Beeren, Brot
Vom kühlen Boden picken
Drei träge Tauben,
Dazwischen
Will hier und dort
Ein Spatz
Sich mischen:
O schöner Platz
O schöner Ort!
Des Weines Tod
(Den Mehltau) schicken
Wir fort
Aus Knipsers Rebengut!
Die Vögel bilden eine Kolonie
Und wie
Der Weingeschmack, der hohe,
Versprühen sie
Die frohe
Und reine Harmonie
Des Weines, dessen Glut
Uns Menschen wärmt
Von innen!
Wild schwärmt
Ein Jeder, wild
Und ungestüm
Ist jeder Mensch von Sinnen
O Wunder!
Der sein Verlangen stillt
Mit ihm:
Der Spätburgunder
Réserve
Stammt aus dem Weingut Knipser!

In Faulkners Schmiede – die sagenhaft jungen Spätburgunder von Chat Sauvage

Ein Must-Have für jeden seriösen Weintrinker ist die Karaffe, sie ist ein ästhetisches und zugleich existenzielles Accessoire. Ästhetisch, weil sie die unschönen Brocken herausfischt, die selbst hochkarätigen Wein bisweilen verunzieren. Ihre existenzielle Pointe besteht darin, dass sie Weinen Luft zuführen kann und so Flaschen genießbar macht, die eigentlich noch viel zu jung sind.

Weine beispielsweise wie die sagenhaft lagerfähigen Spätburgunder von Chat Sauvage. Das Weingut wird von Verena Schöttle geführt, bis 2015 von Michel Städter, und gehört Günter Schulz. Chat Sauvage hat Parzellen in allen geilen Rheingau-Lagen: Rüdesheimer Drachenstein, Johannisberger Hölle, Lorcher Kapellenberg, Assmannshäuser Höllenberg. Das sind keine krassen Pinots, die vom Assmannshäuser Höllenberg kommen, sondern krasse Pinots, die nach Assmannshäuser Höllenberg schmecken. Das stellen wir uns super schwierig vor, doch Verena und Michel beherrschen den Balanceakt zwischen eigener Stilistik und Lagencharakter perfekt. Super elegante, kühle und tiefgründige Spätburgunder, die alle gekonnt burgundisch angehaucht sind und eher auf Mineralität als auf Frucht setzen. Die Weine sind für Kenner, und Kenner schmecken, dass das keine Burgunder-Imitationen, höchstens Burgunder-Inspirationen sind. Etwas einzigartiges, das seinerseits nach Einzigartigem verlangt.

Nun hat Günter das Weingut Chat Sauvage leider erst 2005 gegründet, sodass sämtliche Spätburgunder, die bis dahin gemacht wurden, eigentlich zu jung sind. Wir müssen sie also karaffieren – aber wohinein gießt man so etwas Edles? Eine profane Karaffe aus dem Supermarkt? Eine missgestaltete »Design«-Karaffe aus dem Fachhandel? Nein, nein, nein!

Schnell schmeckten wir uns zu der Erkenntnis vor, dass es auf dem normalen Markt nichts gibt, was dafür gut genug ist. Was hier aus der Flasche kommt ist top of Rheingau and top of Germany. Die sptbrgndr-Redaktion war sich in diesem Fall nicht zu schade, selbst tätig zu werden und diesen genialen Weinen ihre Karaffe zu schaffen. Nicht der Chat Sauvage soll sich der Karaffe anpassen, sondern wir messen ihm die Karaffe an, in der er gedeihen kann. Die rechte Karaffe gehört zum Weingenuss dazu, denn sie präsentiert und repräsentiert den Wein. Und wenn man einen besonderen Tropfen aufzieht, dann sollte man auch eine adäquate Karaffe im Haus haben. Wir haben also kurzerhand bei WILLIAM RUDOLPH FAULKNER, Berlins gefragtestem Glasbläser und Spezialist für Burgunder-Karaffen, einen mundgeblasenen Dekanter anfertigen lassen, der speziell für die Bedürfnisse der Weine von Chat Sauvage ausgelegt ist.

Um die Form des Gefäßes zu bestimmen, trank Rudy einen Schluck Lorcher Kapellenberg 2012: seine Augen färbten sich vom Burgunder rot, der Kapellenberg entflammte ihn, er schmolz vor Wonne dahin und die leere Flasche ein: »Yo, thats the spirit of German Wine, bros!« Rudy arbeitete Tag und Nacht an dem Gefäß, die Redaktion beriet ihn. Parallel verkosteten wir Rüdesheimer Drachenstein 2014 und Assmannshäuser Höllenberg 2012, um die perfekte Form zu finden. Uns wurde klar, dass wir etwas klassisches und ursprüngliches für diese Tropfen erschaffen mussten, etwas das den geschmeidigen Charakter betont. Den Ausschlag gab dann der Lorcher Schlossberg 2012: ein Monument reiner, romantischer Liebe. Nichts anderes ist die Karaffe geworden – danke, Rudy!

So etwas ließ noch kein Blogger für keinen Wein anfertigen und lässt sich auch für kein Geld der Welt kaufen: ein Unikat für unikale Weine. Auf Euch, liebe Verena, lieber Michel, lieber Günter, füllen wir die Karaffe, Euch ist sie gewidmet!

Kaya Turkay

Deutscher Sekt und französische Uhren – Raumland und Cartier. Eine biographische Skizze

Viele Menschen glauben, wir Deutschen sind nur gut in Philosophie und Panzern. Uhren können wir beispielsweise nicht – Glashütte funktioniert zwar, ist aber nicht ästhetisch und liegt auch an der Grenze zu einem anderen Land. Nationen, die keine Uhren können, können auch keinen Perlwein, sagte einst ein französischer Baron in Rom zu mir: die Cartier funkelte am Gelenk, der Champus im Glas. Was blieb mir übrig, als ihm zu glauben. Ich war mittellos und wusste es nicht besser.

Vergeblich suchte ich den Franzosen die letzten zehn Jahre. Ich wollte schon meinen Frieden mit ihm machen, als das Schicksal es anders wollte: Auf einer kleinen Soiree im Herzen Berlins zeigte man neues und altes aus dem Pariser Uhrenhaus. Alles sehr ansehnlich und fein, alles funkelte. Man trank Dom Perignon. Ich glaubte meinen Augen kaum, aber auch der französische Baron war da. Wir grüßten einander wie alte Bekannte und berichteten aus unserem Leben. Er hatte gleich erkannt, dass ich es zu einem Mann von Welt, Bildung und Geschmack gebracht hatte: »Comment sent le goût du champagne?«, fragte er. Ich nahm einen Schluck und antwortete: »Bien, mais l’allemand est mieux«. Die Masse verstummte, der Baron lachte: »Mon Dieu, c’est impossible!« – »Oui«, »yes«, »ja« pflichteten ihm die anderen Besucher bei.

»Non Monrose« antwortete ich und entschuldigte mich sogleich für den albernen Wortwitz, den die Zukunft noch enthüllen würde. Auf diesen Moment hatte ich die letzten zehn Jahre gewartet. Der Franzose trank leer und forderte mich auf. Ich zog drei Flaschen aus einem ausgestopften Krokodil, die ich dort zuvor deponiert hatte, da ich nicht wusste, was der Abend noch bringen würde.

Mit einem Säbel köpfte ich den Riesling Brut von Heide und Volker Raumland; die Gläser drängten sich unter den quellenden Champus: Das ist mächtige Feinheit und ausbalancierte Perlage, die sich sehen lassen kann. Da ist Charakter und Amour drinnen, sage ich, »strohgelb wie die Sonne« ein anderer. Die übrigen Gäste tranken hastig ihren Dom aus und wollten probieren. Der französische Baron war sichtlich angetan, schwelgte in Erinnerungen an seine Jugend: »Bei diesem Wein muss ich an meine Mutter denken«. Schnell ging die Flasche rum, schneller war sie leer.

Als nächstes öffnete ich die Cuvée Katharina, diesmal ohne Säbel. Eine russische Gräfin bot mir ihre Pascha im Tausch für eine Flasche, die sie allein trinken kann. Kurz überlegte ich, aber nein, Raumland tauscht man nicht! In Cuvée Katharina ist das beste aus Burgund versammelt (Spätburgunder und Pinot-Meunier) klare Struktur und doch komplex, gerade so als hätte Volker Raumland den Äther der Idee des Burgundercuvées destiliert und zum Vorbild für dieses Träumchen genommen. Außerdem viel Länge, sodass die meisten noch staunten, während ich und der französische Baron uns der letzen Flasche widmeten.

»Monrose, jetzt verstehe ich«, lachte er.

Volker Raumlands »Monrose« ist eine Liebeserklärung an Schaumwein und gleichzeitig so ziemlich einer der besten deutschen Sekte. »Wenn alles so gut wäre, wie der ›Monrose‹, würde ich mein Chataeu sofort verkaufen und nach Deutschland ziehen«, sagte darauf der Baron. »Aber bitte seien Sie so gut, mein Lieber«, fügte er, leiser, hinzu, »wenn Sie das nächste Mal eine Empfehlung für mich haben, so warten Sie bitte nicht wieder ein Jahrzehnt damit!« Danach waren wir stumm. Inmitten dieser gekünstelten Atmosphäre wirkte der authentische Geschmack des Raumland-Sektes Wunder und sorgt für einen Moment angeschwipster Nüchternheit.

Raumland im deutschen Kontext

Oliver Zeter – ein Napoleon des Weinbergs

Seines bescheidenen Auftretens wegen wirkt Oliver Zeter nicht unbedingt wie ein Napoleon Bonaparte – zu groß gewachsen die Statur, zu männlich zupackend die Winzerhände und zu rechtschaffen und ehrlich der Charakter. Und doch – – aber von Anfang an!

Jeder Mensch wird einmal als kleines Kind geboren und das heißt heutzutage meistens: als Nichttrinker. Erst Jahre später, frühestens in der Jugend, idealerweise als schon reiferer Mensch, kommt er mit Wein in Berührung. Einen naturgeborenen Weinfreund gibt es daher wenn überhaupt nur im alten Griechenland. So kommt es, dass jeder Mensch die eine oder andere Heranführung an die Welt des guten Weins braucht. Der sptbrgndr-Redakteur wird hier einmal persönlich, wenn er gesteht, dass für seine eigene Heranführung an diese Welt niemand anderer verantwortlich ist als Oliver Zeter. Es war sein Pinot Noir Reserve, der den vormaligen Studenten mit einem Schlag zum Weinfreund bekehrte. Als Student ist es leider so, dass guter Wein Mangelware ist. Nicht nur sind gute Flaschen für studentische Verhältnisse zu teuer, auch herrscht, zumindest in den Fakultäten, die feine Menschen hervorbringen, ein gewisser Verdacht gegen das Distinguierte, das damit einhergehen kann. Überhaupt wird es als Symbol der eigenen Weltgewandtheit angesehen, ausschließlich Weine aus Frankreich, Spanien und Italien zu mögen. Nicht dass es dort nichts Gutes gäbe, doch in Kombination mit der besagten Geldknappheit ist das Resultat oft fatal, zumal die Flaschen meistens im Supermarkt um die Ecke von Kommilitonen gekauft und ungefragt mitgebracht werden. Nur durch einen Zufall: durch das Geschenk eines griechischen Weinkenners, gelangte ich in den Besitz einer Flasche Pinot Noir Reserve, die mir damals absurd teuer erschien. (Heute erscheinen mir die 20 Euro, die man dafür bezahlen muss, eher als eine Art Schutzgebühr, weil der knappe Ertrag sonst zu schnell ausgetrunken wäre.)

Ich öffnete die Flasche, goss mir ein und führte das Glas zur Nase – noch mit dem ersten Schluck im Mund eilte ich zur Universität und exmatrikulierte mich auf der Stelle. Diesem Getränk wollte ich von nun an mein Leben widmen!

Der Pinot Noir Reserve war der mächtigste Wein, den ich bis dato und seitdem gekostet habe. Nicht nur schmeckt er, als habe ein genialer Apotheker die Traube zu einem Elixier konzentriert, er demonstriert auch, zu was auch deutscher Spätburgunder fähig ist. Das ist nämlich die große Leistung Oliver Zeters: Die deutschen Trauben so groß zu keltern, dass sie auf ein ganz neues Niveau gehoben werden. Das gilt nicht nur für den Spätburgunder, dessen Abgang, selbst wenn man von der Pfalz aus zu Fuß unterwegs ist, einem noch in Frankreich auf der Zunge liegt, sondern auch für Zeters berühmten Sauvignon Blanc, dessen präzisen Geschmack man in Frankreich und noch in Neuseeland loben wird, dessen Seriosität man aber wohl nur im Heimatland Helmut Kohls hinbekommt. Die Knalligkeit exotischer Aromen fehlt hier nicht, sie ist aber dezent eingebunden in eine perfekte und sehr erwachsene Gesamtkomposition, zu einer kulinarischen Union aller Kontinente.

So ist es das Verdienst Zeters, dieses so unbonapartisch wirkenden Mannes, das Beste aus der ganzen Welt versammelt zu haben. Er ist der erste wirklich global denkende Geist der Weinwelt, der sich nicht mit dem zufriedengibt, was schon seit eh und je durch Zufall im deutschen Weinberg lag. Zeter greift unumwunden nach Frankreich und packt sich die finesse und einen Sinn für Qualität, den er in Deutschland kaum zu fassen kriegte – sie veredeln seine Spätburgunder und Sauvignon Blancs zur Perfektion. Er fasst ins ferne Afrika und holt sich Aromen, von denen die Pfälzer Urväter nichtmal träumten. Aus dem Morgenland erbeutet er Myrre und Weihrauch für seinen ZAFRÀN. Er umklammert alte und neue Welt, kurzum: Oliver Zeter ist ein wahrer Napoleon des Weinbergs. Selbst meine frankophilsten Kommilitonen von früher kaufen sich heute, mit Baskenmütze und Baguette ausgestattet, Oliver Zeters Weine für ihre Nouvelle Vague-Filmabende.

Zeter, zu Pferde im Weinberg

3–2–1 Prost! – Reflexionen eines Motorsportlers

Sicher ist Trunkenheit im Verkehr eine Ordnungswidrigkeit. Da aber wie so oft auch hier Rechtsnorm und Realität nicht unerheblich auseinanderklaffen, verwundert es nicht, dass gerade unter den Königen ihrer Bereiche eine innige Beziehung besteht. Die Rede ist von der »Krone der Rebe«, dem Signature Beverage dieser Blogsite, und dem Höchsten der Gefühle in Sachen Mobilität: dem Rennsport. Hier wie dort kitzeln Ingenieure und/oder Kellermeister das Äußerste aus ihren Schützlingen heraus, tunen etwa den Wein immer noch besser, verkürzen den Bremsweg, ölen die Gangschaltung oder kuvertieren zwei Jahrgänge. Doch damit nicht genug.

Von einem guten Rennwagen sagt man, er müsse schnittig sein. Nun ist Schnittigkeit auch eine Eigenschaft, die manchem Spätburgunder zum Vorteil gereicht. Nicht nur schneidet der Winzer den Weinstock. Man denke auch an die Holzfässer besonders der großen Spätburgunder, etwa aus Baden oder von der Ahr. Natürlich, das wird jeder Küfer bestätigen, wird das Holz der Fässer geschnitten (oder geschnitzt), bevor es den Wein fassen kann. Nicht von ungefähr hat sich auch im Raserjargon die Wendung: »Holz geben« als Kommando für das Gasgeben eingebürgert. Auch hier schließt sich der Kreis zurück ins Glas, da es aus chemiekalischer Sicht nichts anderes als eben Gase sind, die der Weintrinker als »Bukett« so sehr schätzt.

Die Fässer ähneln damit nicht nur in ihrer Form den für das Vorankommen des Piloten so wichtigen Rädern. Sie bringen den Wein voran, begleiten ihn auf seiner »Fahrt« durch die Jahrzehnte. Auf die Räder montiert der Garagenmeister die Reifen. Und wieder finden wir den Link zum Wein, der in seinen Fässern nichts anderes tut als eben dieses: Reifen. Die Geschwindigkeit mag in anderen Skalen gemessen werden, doch ist sie nicht nur Attribut beim Autorennen, sondern auch bei der Weinverkostung, wo wir solchen Weinen, die den Trinker dazu zu bewegen wissen, sein Glas zügig zu leeren, einen besonderen Trinkfluss zuschreiben. Der Spätburgunder ist hier oft eine Nasenlänge voraus, die aerodynamischen Qualitäten der Burgunderflasche tun ihr übriges, so dass er selbst hochkarätige Weine leicht abhängt, wenn diese etwa nur in der Schlegelflasche unterwegs sind. Durch ihren tiefen Schwerpunkt liegt die Burgunderflasche auch bei Regenwetter gut in der Hand, während etwa Weine im Bocksbeutel arg ins Schlittern geraten können. Bei Wein wie Rennsport gilt hier freilich die Maxime: Geschwindigkeit ist nicht alles. Ein Glas Spätburgunder am Steuer kann selbst erfahrenen Piloten helfen, die Feinheiten der Situationen besser einzuschätzen und hat schon machen Sieg nachhause geholt.

Nicht vergessen darf man das Terroir, das A und O jedes guten Weins und Rennens: Schiefer, Kalkmergel, Nürburgring und Muschelkalk bestimmen Mineralität und Charakter und bringen Abwechslung und Tiefe in den Genuss. Man stelle sich nur vor, ein Rennfahrer müsste Zeit seines Lebens wieder und wieder auf der selben Rennstrecke zirkulieren – da käme wenig Genuss auf. Und so müssen Rennfahrer wie Winzer ihren »Boden« kennen und das beste aus ihm herausholen.

Über all die Euphorie sollte man – auch dazu einmal ein Wort in einem dezidierten Weinblog – die gesundheitlichen Risiken solchen Genusses nicht unerwähnt lassen. Nicht nur Rennprofis wie Niki Lauda können ein Lied davon singen, dass Rennsport und Wein bedacht genossen werden sollten. Einen kleinen aber feinen Unterschied kann man hier beim Einsatz der so genannten »Fahne« feststellen, die beim Autorennen den sprichwörtlichen Startschuss signalisiert, beim Weintrinker aber eher als Schlussakkord einer strapazenreichen Verkostung bemerkbar wird.

Am Ende bleibt der Wettkampf. Grand Prix und Gault & Millau sind hier nur zwei der bekannteren Vergleichsveranstaltungen. Es locken Pokale und Medaillen für die Spitze ihrer jeweiligen Disziplinen. Der Erfolg wird im Wein- wie im Rennwesen regelrecht zelebriert. Man liebt die Feier der hervorragenden Persönlichkeiten, die mit Eichenlaub und Siegertreppchen geehrt werden, sei es nun der Erste eines Race oder die regional triumphierende Weinkönigin.

Sommer, Fernglas und Burgunder. Die Spätburgunder des Weinguts Hermann

Neben Spätburgunder steht bei vielen die Ornithologie ganz hoch im Kurs. Sehen und gesehen werden, heißt es hier. Wahre Hobby-Ornithologen interessieren sich aber weniger für die offensichtlichen und prolligen Vögel, die viele Wappen und Labels zieren. Wahre Ornithologen haben Freude am scheinbar Unbedeutenden: nicht Pfau und Adler, nicht Falke und Huhn, sondern Stieglitz, Rotkelchen, Schwalbe und Milan. Ihr Ruf lässt die Herzen der Vogelfreunde höher schlagen.

Auch bei der sptbrgndr-Redaktion ist das Interesse für die kleinen Racker groß. Im Frühsommer, wenn das Leben in die heimische Natur zurück gekehrt ist, werden Ansitzstühle ausgeklappt und Ferngläser geschultert. Wie sich Bier zum Fussball verhält, so verhält sich Spätburgunder zur Ornithologie. Denn Burgunder schärft die Sinne und macht sensibel. Man sagt, der Dachverband Deutscher Avifaunisten schwöre vor allem auf die Burgunder des Weinguts Hermann. In Altvoightsburg im Kaiserstuhl lebt man noch mit den kleinen Vögeln in Eintracht und die besten Weine werden nach ihrem Gesang benannt: Cantus Avis.

Wir machen die Probe aufs Exempel und tunen unsere Sinne mit Falk Hermanns Cantus-Avis-Weinen: Blauer Spätburgunder (2013 und 2014) und Reserve – Blauer Spätburgunder (2011). Während die gefüllten Gläser Luft atmen, schnuppern auch wir in die Natur und versuchen einen Blick auf die scheuen Vögel zu erhaschen. Wir nehmen einen Schluck vom Blauen Spätburgunder, um die Wirkung anzutesten: ganz seidig angenehm und hochwertig! Der Erfolg lässt nicht lange auf sich warten. Schon kommt ein Kelchen angeflogen und nimmt vertraut auf dem Rand des Glases Platz – nur zu, Gevatter Rotbrust, gönn dir nen Schluck und sing uns ein Lied. – Der Vogel tut wie ihm geheißen war, trinkt und hebt zu singen an: “Spätburgunder, Spätburgunder, heilge Traube Sonnenglanz…”

Es kommen weitere und tuen es ihm gleich. – Krass, der Wein lässt uns den Gesang der Vögel verstehen und sie singen weiter zu uns: „Wir Vögel sind wie diese Spätburgunder / verkünstelte Natur stellt sich in uns authentisch dar. / Vom Kaiserstuhle flogen wir, / vom Wein befeuert singen wir”. – Die Singvögel berichten, wir verkosten. Die sptbrgndr-Redaktion ist in jedem Fall ganz angetan von Falk Hermanns Weinen, die alle von einer filigrane Urtümlichkeit und gekonntem Holzeinsatz geprägt sind. Das ist großartiger Spätburgunder, der Abseits von modischen Trends und Marketingklimbim erdet und Maßstäbe setzt. 2013 sei ein hochreifer Jahrgang gewesen, hören wir aus dem Gesang heraus, sehr würzig, bisschen rauchig, komplex und anregend. 2014 wurde von einer kühleren Vegetation beherrscht, auch sehr filigran, mineralisch und anhaltend. Jetzt schon spannend, in einigen Jahren aber sicher noch besser! – Der Reserve ist aber noch einmal ne andere Klasse, da verschlägt es selbst den Vögeln die Sprache: vulkanisch elegant, pur komplex. – Grandios! Andächtig wird die Redaktion von den scheuen Tieren beim Trinken beobachtet. Dann ist auch das letzte Glas gelehrt, die Tiere heben die Stimme zum Gruß, doch wir verstehen nichts mehr.

Adama, prima donna (italienisches Sonett auf Simone Adams und ihre Weine)

Unsere Schirmherrin, die Jahrhundert-Winzerin Simone Adams, kann nie genug Lob erhalten! Erstmals in der Welt- und Literaturgeschichte wird deshalb heute ein italienisches Sonett für eine deutsche Winzerin auf einem Blog veröffentlicht. Der deutsche Spätburgunderblog und seine Schirmherrin haben wieder einmal die Nase vorn.

Adama, prima donna

Von einem unbekannten Dichter

Simone! Queste rime dolci sono
Ma amare ben rispetto al vostro vino:
Perché le lor bellezze non manchino
Si de’ gustare il vostro vin ch’al tono

Delle sfere celesti par consono:
Né Dante, Cavalcanti ovvero Cino
Potrebbero cantare del acino
Ben adeguatamente perch’ il dono

Che viene dalla vostra vigna degna
È troppo alto per lor uman ingegno:
Bisogna scongiurare la Colonna!

Lo so perché Petrarca ce l’insegna:
Fu ‘l suo Simon del paradiso degno —
Fin dove arriva Adama, prima donna?

Service für Deutsche: Übertragung in die Muttersprache

Simone! Diese Reime süßlich sind,
Doch bitter im Vergleich mit Eurem Weine:
Damit ihre Schönheit zum Vorschein kommt,
Muss man Euren Wein verkosten, der im Gleichklang

Mit den Himmelssphären zu sein scheint:
Weder Dante, Cavalcanti oder Cino
Könnten die Weintraube besingen
Auf angemessene Art, weil die Gabe,

Die von Eurem würdigen Weinberg stammt,
Zu hoch für ihren menschlichen Geist ist:
Es ist nötig, Colonna zu beschwören!

Ich weiß es, weil Petrarca es uns lehrt:
Sein Simon war des Paradieses würdig —
Doch wohin kommt dann Adams, die erste Frau?

Gelehrte Fußnote: Der Vers mit Petrarcas Simon spielt auf Rvf 76 an, wo es heißt (bezogen auf den Maler Simon Martini): Ma certo il mio Simon fu in paradiso