Ein Must-Have für jeden seriösen Weintrinker ist die Karaffe, sie ist ein ästhetisches und zugleich existenzielles Accessoire. Ästhetisch, weil sie die unschönen Brocken herausfischt, die selbst hochkarätigen Wein bisweilen verunzieren. Ihre existenzielle Pointe besteht darin, dass sie Weinen Luft zuführen kann und so Flaschen genießbar macht, die eigentlich noch viel zu jung sind.

Weine beispielsweise wie die sagenhaft lagerfähigen Spätburgunder von Chat Sauvage. Das Weingut wird von Verena Schöttle geführt, bis 2015 von Michel Städter, und gehört Günter Schulz. Chat Sauvage hat Parzellen in allen geilen Rheingau-Lagen: Rüdesheimer Drachenstein, Johannisberger Hölle, Lorcher Kapellenberg, Assmannshäuser Höllenberg. Das sind keine krassen Pinots, die vom Assmannshäuser Höllenberg kommen, sondern krasse Pinots, die nach Assmannshäuser Höllenberg schmecken. Das stellen wir uns super schwierig vor, doch Verena und Michel beherrschen den Balanceakt zwischen eigener Stilistik und Lagencharakter perfekt. Super elegante, kühle und tiefgründige Spätburgunder, die alle gekonnt burgundisch angehaucht sind und eher auf Mineralität als auf Frucht setzen. Die Weine sind für Kenner, und Kenner schmecken, dass das keine Burgunder-Imitationen, höchstens Burgunder-Inspirationen sind. Etwas einzigartiges, das seinerseits nach Einzigartigem verlangt.

Nun hat Günter das Weingut Chat Sauvage leider erst 2005 gegründet, sodass sämtliche Spätburgunder, die bis dahin gemacht wurden, eigentlich zu jung sind. Wir müssen sie also karaffieren – aber wohinein gießt man so etwas Edles? Eine profane Karaffe aus dem Supermarkt? Eine missgestaltete »Design«-Karaffe aus dem Fachhandel? Nein, nein, nein!

Schnell schmeckten wir uns zu der Erkenntnis vor, dass es auf dem normalen Markt nichts gibt, was dafür gut genug ist. Was hier aus der Flasche kommt ist top of Rheingau and top of Germany. Die sptbrgndr-Redaktion war sich in diesem Fall nicht zu schade, selbst tätig zu werden und diesen genialen Weinen ihre Karaffe zu schaffen. Nicht der Chat Sauvage soll sich der Karaffe anpassen, sondern wir messen ihm die Karaffe an, in der er gedeihen kann. Die rechte Karaffe gehört zum Weingenuss dazu, denn sie präsentiert und repräsentiert den Wein. Und wenn man einen besonderen Tropfen aufzieht, dann sollte man auch eine adäquate Karaffe im Haus haben. Wir haben also kurzerhand bei WILLIAM RUDOLPH FAULKNER, Berlins gefragtestem Glasbläser und Spezialist für Burgunder-Karaffen, einen mundgeblasenen Dekanter anfertigen lassen, der speziell für die Bedürfnisse der Weine von Chat Sauvage ausgelegt ist.

Um die Form des Gefäßes zu bestimmen, trank Rudy einen Schluck Lorcher Kapellenberg 2012: seine Augen färbten sich vom Burgunder rot, der Kapellenberg entflammte ihn, er schmolz vor Wonne dahin und die leere Flasche ein: »Yo, thats the spirit of German Wine, bros!« Rudy arbeitete Tag und Nacht an dem Gefäß, die Redaktion beriet ihn. Parallel verkosteten wir Rüdesheimer Drachenstein 2014 und Assmannshäuser Höllenberg 2012, um die perfekte Form zu finden. Uns wurde klar, dass wir etwas klassisches und ursprüngliches für diese Tropfen erschaffen mussten, etwas das den geschmeidigen Charakter betont. Den Ausschlag gab dann der Lorcher Schlossberg 2012: ein Monument reiner, romantischer Liebe. Nichts anderes ist die Karaffe geworden – danke, Rudy!

So etwas ließ noch kein Blogger für keinen Wein anfertigen und lässt sich auch für kein Geld der Welt kaufen: ein Unikat für unikale Weine. Auf Euch, liebe Verena, lieber Michel, lieber Günter, füllen wir die Karaffe, Euch ist sie gewidmet!

Kaya Turkay