Viele Menschen glauben, wir Deutschen sind nur gut in Philosophie und Panzern. Uhren können wir beispielsweise nicht – Glashütte funktioniert zwar, ist aber nicht ästhetisch und liegt auch an der Grenze zu einem anderen Land. Nationen, die keine Uhren können, können auch keinen Perlwein, sagte einst ein französischer Baron in Rom zu mir: die Cartier funkelte am Gelenk, der Champus im Glas. Was blieb mir übrig, als ihm zu glauben. Ich war mittellos und wusste es nicht besser.
Vergeblich suchte ich den Franzosen die letzten zehn Jahre. Ich wollte schon meinen Frieden mit ihm machen, als das Schicksal es anders wollte: Auf einer kleinen Soiree im Herzen Berlins zeigte man neues und altes aus dem Pariser Uhrenhaus. Alles sehr ansehnlich und fein, alles funkelte. Man trank Dom Perignon. Ich glaubte meinen Augen kaum, aber auch der französische Baron war da. Wir grüßten einander wie alte Bekannte und berichteten aus unserem Leben. Er hatte gleich erkannt, dass ich es zu einem Mann von Welt, Bildung und Geschmack gebracht hatte: »Comment sent le goût du champagne?«, fragte er. Ich nahm einen Schluck und antwortete: »Bien, mais l’allemand est mieux«. Die Masse verstummte, der Baron lachte: »Mon Dieu, c’est impossible!« – »Oui«, »yes«, »ja« pflichteten ihm die anderen Besucher bei.
»Non Monrose« antwortete ich und entschuldigte mich sogleich für den albernen Wortwitz, den die Zukunft noch enthüllen würde. Auf diesen Moment hatte ich die letzten zehn Jahre gewartet. Der Franzose trank leer und forderte mich auf. Ich zog drei Flaschen aus einem ausgestopften Krokodil, die ich dort zuvor deponiert hatte, da ich nicht wusste, was der Abend noch bringen würde.
Mit einem Säbel köpfte ich den Riesling Brut von Heide und Volker Raumland; die Gläser drängten sich unter den quellenden Champus: Das ist mächtige Feinheit und ausbalancierte Perlage, die sich sehen lassen kann. Da ist Charakter und Amour drinnen, sage ich, »strohgelb wie die Sonne« ein anderer. Die übrigen Gäste tranken hastig ihren Dom aus und wollten probieren. Der französische Baron war sichtlich angetan, schwelgte in Erinnerungen an seine Jugend: »Bei diesem Wein muss ich an meine Mutter denken«. Schnell ging die Flasche rum, schneller war sie leer.
Als nächstes öffnete ich die Cuvée Katharina, diesmal ohne Säbel. Eine russische Gräfin bot mir ihre Pascha im Tausch für eine Flasche, die sie allein trinken kann. Kurz überlegte ich, aber nein, Raumland tauscht man nicht! In Cuvée Katharina ist das beste aus Burgund versammelt (Spätburgunder und Pinot-Meunier) klare Struktur und doch komplex, gerade so als hätte Volker Raumland den Äther der Idee des Burgundercuvées destiliert und zum Vorbild für dieses Träumchen genommen. Außerdem viel Länge, sodass die meisten noch staunten, während ich und der französische Baron uns der letzen Flasche widmeten.
»Monrose, jetzt verstehe ich«, lachte er.
Volker Raumlands »Monrose« ist eine Liebeserklärung an Schaumwein und gleichzeitig so ziemlich einer der besten deutschen Sekte. »Wenn alles so gut wäre, wie der ›Monrose‹, würde ich mein Chataeu sofort verkaufen und nach Deutschland ziehen«, sagte darauf der Baron. »Aber bitte seien Sie so gut, mein Lieber«, fügte er, leiser, hinzu, »wenn Sie das nächste Mal eine Empfehlung für mich haben, so warten Sie bitte nicht wieder ein Jahrzehnt damit!« Danach waren wir stumm. Inmitten dieser gekünstelten Atmosphäre wirkte der authentische Geschmack des Raumland-Sektes Wunder und sorgt für einen Moment angeschwipster Nüchternheit.
Raumland im deutschen Kontext