Wenn Simone Adams eine Kiste Wein zuschickt, dann ist das nicht einfach ein Karton: der eigentliche Karton wird von einem gewöhnlichen Karton geschützt. Der richtige Karton ist ein Designerstück (echt chic! – haben wir gleich zur Seite gestellt), ausgestaltet im Corporate Design der Internetseite von Adams Wein. Und die ist richtiges Kopfkino. Erinnert noch mehr an das Werk von Alexander Kluge als an eine Winzer-Seite – gefühlte Stunden drauf verbracht: stark assoziativ, minimalistisch, leicht verstörend, traditionell, viel Magenta, poppig, geerdet and armed.

Frau Adams ist nämlich die Diana unter den deutschen Winzerinnen, schöne Augen und Kanonen; passionierte Jägerin eben. Ihre Weine sind nach Kalibern klassifiziert: Kaliber 12, 36 und 48 sind Spätburgunder – wir trinken sie alle. Normalerweise tüftelt die sptbrgndr-Redaktion an schmissig vermittelnden Narrativen; hier leider überflüssig, weil Adams Wein eine komplett, komplex und intelligent durchgestylte Premium-Weinmarke ist, die ihre eigene Geschichte erzählt. Fast kommt einem der Gedanke, Frau Adams Muse wären nicht die Burgunder der Franzosen, sondern ihr Kino (Nouvelle Vague und so). Kluge Frauen machen klugen Wein and Ingelheim becomes Paris!

Naja, für uns als Blogger ist das frustrierend, weil alles, was wir so können, hier schon ziemlich elegant umgesetzt ist. Eigentlich müssen wir nicht weiter schreiben… Allein das Etikett setzt schon Maßstäbe: AdamsWein – magentafarbendes Logo – von einer Kugel durchbohrt (die Größe des Einschussloches variiert sogar). Man denkt an Adam (erster Mensch und Mann), Frau Adams ist aber eine Frau (!); ok deswegen das magentafarbende Logo, schon irgendwie weiblich; aber denkste, Einschussloch. – – – Uns gefällt das Spiel mit den Gegensätzen, stimuliert den Denkapparat (Gustatorischer Cortex und so), erinnert auch an die Monatgetechnik à la Kluge (#Poststrukturalismus, #Rhizome etc.).

Jeder Freund unseres Blogs wird auch Frau Adams Beschreibungstexte witzig finden: »Mit Biss und Zärtlichkeit punktiert dieser Pinot Noir die Zunge und stellt auf unverwechselbare Weise fest, dass in der Brust des Spätburgunders immer zwei Herzen schlagen. Sie küssten und sie schlugen ihn.« Truffaut und Goethe schon bei Kaliber 12 zu droppen, ist ne krasse Nummer, vielleicht auch übertrieben – aber Respekt! Wir machen die Probe aufs Exempel: Flinte durchgeladen und Bouteille ins Rohr!

Kaliber 12 – 2014: Ganz witzig, weil man bei dem Einschussloch auf der Flasche eigentlich etwas völlig anderes erwartet. Nämlich einen Rambo-Wein, einen übergewichtigen Jungen, der zu lange im Barrique-Fass gelegen hat und sich nicht mehr bewegen kann. – – – Weit gefehlt!!! Das hier ist was ganz anderes, wirklich ein filigranes Tröpfchen, nicht wuchtig, aber wild, Sauerkirsche, etwas Veilchen, leicht rauchig, finessenreich und elegant. Erinnert ein wenig an die Stilistik eines Englischen Gartens, verwuchert und trotzdem strukturiert! Für knapp 12 Euro ist das ein ziemlich cooler Spätburgunder, der mit den Jahren sicher auch noch an Tiefgang zulegt.

Kaliber 36 – 2012 ist schon eher für größeres Wild gedacht! Aber in dieser Bouteille ist kein Wildschwein, kein Hirsch, der Geist der Flasche ist ein Rehlein. Burgundisch fein kommt dieser Pinot daher, 12 Monate im neuen Barrique, sechs Monate Flaschenreifung. Das ist ein Wein für Grübler, Denker und Beobachter, die im Spätburgunder die feinen Nuancen suchen und finden wollen. Ganz elegant, trotzdem komplex und tiefgründig. Unser Praktikant vergießt eine Träne.

Kaliber 48 – 2013 ist für die Großwildjagd aus der Ferne gedacht. Das Spitzengewächs vom Ingelheimer Sonnenhang ist gewachsen auf Muschelkalk, 18 Monate Barrique und neun Monate Flaschenreifung. Hier ist wirklich einiges drin, das ist ein mega komplexer Spätburgunder, der mit einer kühlen Wuchtigkeit daher kommt: Kräuter, Kräuter, Kräuter, Eukalyptus, Minze, Lavendel und Anis – so wunderbar in der Nase. Aber auch der Gaumen: Anis, Zedernholz und Lakritz. Wirklich ein aufregender Spätburgunder, der ordentlich Luft braucht – leider auch schon alle. Müsste man sonst auch einlagern und in zehn Jahren rausholen!

Spätburgunder von Simon Adams zu trinken, ist für die Sinne zunächst einmal ein intellektuelles Vergnügen. Das sind super komplexe und spannende Weine, die für sich stehen: authentsich und kompromisslos – mutig und modern. Wirklich genial ist die Einbindung des Corporate Designs, etwa beim Flaschenetikett. Hier wird eine spezifische Erwartungshaltung suggeriert, mit der man sich während des Trinkens auseinandersetzen muss: Kopfkino eben. In jedem Fall braucht eine Weinnation solche Weine und Ideen, wenn man längerfristig auch beim Burgunder die Franzosen übertrumpfen will. In Ingelheim am Rhein entsteht etwas Großes und Eigentümliches! Das ist der Spätburgunder unserer Generation und wir feiern ihn.

Simone, hörst Du des Nachts Gesang von Deinen Hängen klingen, // schieß nicht, lass Deine Flinte stehen // Es sind die trunknen sptbrgndr-Jünger, die Dir ein Loblied singen!

Logo und Ettiket von Kaliber 36