Zukunft und Vergangenheit. Weingut Freiherr von Gleichenstein – Beethoven: Sonate für Klavier und Violoncello Nr. 3 A-dur, op. 69

Beim Weintrinken spielt auch immer das Historische Moment eine wichtige Rolle, das ist der sptbrgndr-Redaktion schon klar. Viele Weine sind ja ohnehin für die Zukunft gemacht, so sagt man. Wenn man sie dann trinkt, wird auch immer ein Stück Vergangenheit geschluckt – mal ein größeres und mal ein kleineres. Dafür zu sensibilisieren, ist uns Anliegen und Pflicht zugleich.

Bei den Weinen von Freiherr Johannes von Gleichenstein geht das ganz besonders leicht. Denn wer nicht nur trinkt, sondern auch hört, dem ist Beethoven ein Begriff – Sonate für Klavier und Violoncello Nr. 3 A-dur, op. 69 bestimmt nur den Kennern. Ganz lustige Geschichte: Beethoven hat die Sonate seinem Kumpel Ignaz von Gleichenstein (1778–1828) – Ahne von Johannes – 1809 gewidmet, bevor die beiden sich wegen Weibergeschichten gestritten haben. Beethovens Briefe geben Einblicke in die romantische Freundschaft der beiden: »Da ich mit meiner Zeit nicht auslange diesen Morgen, so komme ich gegen Mittag zum Wilden Mann im Prater, ich vermuthe, daß sich dort keine wilden Männer sondern schöne Grazien finden…« War ne coole Zeit, die deutsche Romantik!

Wir hören die Sonate in jedem Fall zur Einnahme der Weine, denn wir glauben an das kulturelle Gedächtnis und stimmig ist es allemal. Auch anders herum: Beethoven geht nur authentisch mit ner Flasche Gleichenstein intus! Die Bildungsproleten unter unseren Lesern aufgehorcht: Wir empfehlen die Nachahmung, wenn ihr Anerkennung schinden wollt! Mit Spitzenspätburgunder und Anekdoten ließ sich noch jeder Schwiegervater und Vorgesetzte beeindrucken – ist ein Selbstläufer. – Musik ab und auf gekorkt!

1. Satz: Allegro, ma non tanto: 2012 Oberbergener Baßgeige

Ein Cello solo eröffnet – die Baßgeige wandert ins Glas (lol). Vorab sei gesagt, dass 15 Euro für diesen Wein eigentlich zu wenig Geld ist. Überhaupt sind die Weine des Freiherrn mit Blick auf die Qualität echte Schnäppchen, gilt für alle und wir erwähnen das jetzt nicht mehr. Vulkangestein mit Löss sorgt für Spätburgunder, wie wir ihn lieben: mineralisch, saftig, bissig, schmissig, burgundisch rot (ein bisschen blass). Dabei macht es riesig Spaß, den Wein beim Sauerstofftanken zu beobachten, in Intervallen – vielleicht 20 an der Zahl – nehmen wir winzig kleine Schlücke und staunen über das sich entfaltende Potenzial. Chapeau, Chapeau! Die Flasche leert sich – Allegro geht vorbei – ganz melancholisch. Schmeckt in 2 Jahren sicher noch besser.

2. Satz: Scherzo: Allegro molto: 2010 Oberrotweiler Eichberg – BARON PHILIPP

Den Namen hat der Wein vom Sohn des Freiherrn, der 2006 geboren wurde, gibt ihn auch erst seit diesem Jahr. – Hektisch werden Adoptionsformulare herumgereicht und an Johannes adressiert; jeder will Kind des Freiherrn und Widmungsempfänger eines solchen Spätburgunders sein: »Baronin Jesse«, »Baron Ringo«, »Baron Jeremy« – passt vielleicht doch nicht so gut, egal. Das ist in jedem Fall ein richtig komplexer und großer Burgunder: 24 Monate Barrique ist ne Ansage – Odin Bauer hat es drauf. Kirsche und Schokolade, Quitte, etwas Vanille, sehr komplex und dicht. Hoffentlich kommt bald noch mehr Nachwuchs.

3. Satz: Adagio cantabile – Allegro vivace: 2005 Oberrotweiler Eichberg – RG Barrique

Der Großteil der Redaktion wünscht, dass Beethoven nun verstummen soll, weil das Geklimper nur vom Wein ablenken würde. –. –. –. Zum Schluss kommt noch ein richtiger Bruder/Schwester! Wir wissen nicht, wie der Wein 2010 geschmeckt hat, da kam er auf den Markt (92 Punkte GM), 5 Jahre Später präsentiert er sich uns in jedem Fall als ein FERTIGER Wein! Wir benutzen hier keine Superlative, weil FERTIG es einfach am besten trifft. Die Familienähnlichkeit mit den beiden ersten Sätzen ist deutlich wahrnehmbar, aber alles wirkt runder, feiner, fertiger. Das ist ein großartiger und großer Spätburgunder, der sicher zu den besten Badens gehört und zeigt, was deutscher Spätburgunder so alles kann.

Bravo, Bravo! Hier findet man ein wirklich großes Spektrum an badischen Spätburgundervariationen, die allesamt individuell und stimmig ausgestaltet sind. Vor allem begeistert uns das hohe Reifepotenzial, das die Weine durch die Bank weg haben.